"Diese Ode geht an die armen, hässlichen Bauern." Wie dich und mich? Nur ein kleines Zitat aus einem Song von "Klotho", dem neuen Werk von Bug aus Innsbruck, welches, was die Kombination Intensität, Brachialität, und wirklich großzügig dosierte, hübsch kanalisierte Negativität angeht, bestimmt nicht geizt und dabei auch noch mit verdammt originellen, noisig-rhythmisch-maschinellen Songs über die Alpen zu uns kommt, dass allzu Zartbesaitete sicherlich nicht wenig schlucken dürften, wenn sie mit der musikalischen als auch textlichen Gewalt von Bug konfrontiert werden. Und das wortwörtlich. Bug sind brachial und wirken rundum gemein und bösartig, ohne dabei großartig in bestimmte vorbestimmte Raster zu passen, soviel ist ebenfalls sicher. Selbst wirft man als grobe (sic!) Anhaltspunkte Namen wie Big'N, Today Is The Day, Zeni Geva und Unsane in den Raum, die einem, wenn man Bug noch nie gehört hat, schon in etwa den Weg weisen, wenn auch nur ungefähr. Denn wie gesagt, man ist originell, und das nicht zu knapp. Und weil "Klotho" so ein wunderbarer, hässlicher dicker Brocken ist, dem man jedem, der/die einen notorischen Berserker tief in seinem/ihren Inneren fühlt, uneingeschränkt nahe legen kann, hab ich diesmal ein bisschen in Ö-Land nachgefragt um ein paar zusätzliche Wahrheiten über dieses Ensemble ans Licht zu bringen. Folgendes haben sie geantwortet, Kommentare darf sich dann gerne jeder selber zusammenreimen: "Beantwortet von t. (bass), o. (drums), m. (words) weilte in San Francisco bei Arnie!!!, p. (guit) hatte keine Zeit;" What if....?
Die neue Platte von Bug
heißt "Klotho". Was ist das, was bedeutet es? Ihr erstes Album
hieß übrigens "Agape", und das ist, was mein Duden 5 dazu
ausspuckt: "(...) 1. die sich in Christus zeigende Liebe Gottes zu den
Menschen, bes. zu den Armen, Schwachen u. Sündern; Nächstenliebe,
Feindesliebe; Liebe zu Gott (Rel.). 2. abendliches Mahl der frühchristlichen
Gemeinde [mit Speisung der Bedürftigen] (Rel.). Und nun also "Klotho"?
o.: "Klotho ist eine Göttin aus der griechischen Mythologie (eine
von den Töchtern von Zeus). Klotho spinnt den Lebensfaden, Lachesis teilt
ihn zu und Atropos schneidet ihn ab."
t.: "Eine Statue von Camille Claudel wurde "klotho" genannt."
Im Info steht, dass die
Musik von Bug bzw. "klotho" reaktionär ist und das sein muss.
Wie ist das genau gemeint? Und muss man als Band denn wirklich immer irgendwas
neu erfinden bzw. geht das überhaupt noch? Oder reicht es nicht einfach
mit den gegebenen Mitteln wieder Neues/Interessantes/Authentisches zu schaffen?
o.: "In der Info haben wir versucht eine Beschreibung
für uns zu finden ohne irgendwelche Klischees zu bedienen. Noiserock ist
aus aktueller Sicht reaktionär - dazu stehen wir auch. Ich sehe gleich
wie Du in keiner Weise die dringende Notwendigkeit etwas neu zu erfinden - vor
allem in der sogenannten "Populärmusik", die sich sowieso einem
dauerhaften "retro-loop" unterwirft. Musikalische Innovation passiert
ausschließlich in experimenteller Musik - da gibt's ja sehr interessante
Interpreten.
Unsere musikalische Sozialisation dauert zwar nach wie vor an - im Noiserock
(oder wie man das sonst bezeichnen will) sind wir aber irgendwie steckengeblieben
- da fühlen wir uns nach wie vor zu Hause und glauben das auch authentisch
zu übersetzen."
t.: "Reaktionär ist Bug nur insofern, als dass wir nicht zeitgemäß
sind. Nicht "Nu-Metall", nicht Garagen-Punk, nicht eine dieser "The
..."-Bands. Das was einem im Moment als "neu" verkauft wird,
ist in der Regel ein Song aus den 80er Jahren - mit einem Beat darunter. Insofern
halte ich uns schon für relativ originell."
Ich kenne nur wenige Bands,
die derart fertige, desillusionierte/desillusionierende, kaputte und gewissermaßen
"abgefuckte" Musik fabrizieren wie Bug. Woran also könnte es
im Fall Bug liegen, dass alles so ist wie es ist? Ist Innsbruck so eine schlimme
Stadt? Oder Österreich ein so furchtbares Land? Was für "Lebensentwürfe"
haben die vier Mitglieder von Bug neben/außerhalb der Band?
o.: "Ich find das interessant, dass wir verstärkt in diese Richtung
interpretiert werden. Der "Kaputtheitsfaktor" ist uns gar nicht mehr
so bewusst - wir sehen unseren Output mittlerweile recht abgeklärt - vielleicht
auch weil Bug ja nach wie vor Selbstzweck ist. Desillusionierende Musik hat
mir persönlich aber auch immer sehr gut gefallen. Bis auf M. (arbeitet
in Wien) leben wir noch in Innsbruck. Wir haben alle unsere Jobs, sind über
30 und jeder versucht seinen persönlichen Kompromiss zwischen Wunsch und
Realität zu finden - Bug dient als Ventil. Innsbruck ist eine Kleinstadt
‚in the Heart of the Alps' (Slogan der hiesigen Fremdenverkehrswerbung)
- die Lebensqualität ist hier eigentlich sehr o.k. - die subkulturelle
Musikszene findet recht gute Rahmenbedingungen im Umfeld der WORKSTATION (Proberäume,
Aufnahmestudio + Konzertraum in einem gut ausgebauten Keller). Die politischen
Verhältnisse allerdings bieten seit Jahren den Nährboden für
ein sehr konservativ-christliches Weltbild, dem sich die Masse auch devot unterwirft.
Ende September finden in Tirol Wahlen statt - alle Prognosen deuten daraufhin,
dass die Österreichische Volkspartei die absolute Mehrheit erreichen wird.
Wir sehen uns zwar nicht als politische Band, sind aber politisch interessierte
Menschen, die diese Entwicklung verabscheuen.
Über Österreich zu philosophieren würde den vorgegebenen Rahmen
bei weitem sprengen."
t.: "Als Erklärung ein paar Buchempfehlungen: "Das Schwarzbuch
des Kapitalismus" (Robert Kurz), "Feierabend" - 11 Attacken gegen
die Arbeit (Konkret Verlag), "Überwachen und Strafen" - (M. Foucault),
"The big Nowhere" (J. Ellroy). Hab keinen Lebensentwurf - bin Treibholz."
Bug: engl. die Wanze oder
dt. das Teil vom Schiff? Oder sonst irgendwas?
o.: "Eigentlich Käfer bzw. Defekt, aber auch "to bug somebody",
jem. nerven - finden wir recht passend."
t.: "Sollen wir wirklich die "lady-bug"-Geschichte erzählen?"
Das Cover von "Klotho"
mit dem Großer-Fisch-frißt-kleinen-Fisch-Motiv ist super. Wer hatte
die Idee dazu und wie soll das verstanden werden? Am ehesten fiel mir dieser
"Fressen und gefressen werden"-Spruch dazu ein. Ist das ok?
o.: "Ein Freund von uns hat dieses Motiv in einer Fachzeitschrift für
Fotografie entdeckt. Wir leisteten uns dann den ungewöhnlichen Luxus dieses
Bild mit dem Titel "Aalrutte frisst Elritze" von dem Fotografen, der
das Bild gemacht hat, käuflich zu erwerben. Das Bild suggeriert natürlich
primär den von Dir angesprochenen Aspekt - und könnte somit auf eine
sehr platte Weise die reduzierte Verbildlichung der Auswirkungen des "aktuellen
Fortschrittes" darstellen." Es könnte aber auch ein Symbol für
Atropos sein - die ja bekanntlich den Lebensfaden cuttet."
t.: "Völlig o.k."
Es ist heutzutage sicher
nicht ganz leicht, mit Songtexten noch zu schockieren. Die Bug-Lyrics hingegen
tun so ziemlich genau das, wobei ich nicht mal denke, dass das die vorrangige
Absicht dahinter ist. Ich frage mich allerdings, was die Mitmenschen von Herrn
Dolp (Bug-Sänger) über das denken, was er da so alles von sich gibt
(für kurze Lyrics-Auszüge siehe Plattenreview 8/2003)? Haben nicht
alle Angst vor jemandem, der mit solchen Phantasien durch die Gegend rennt?
Oder wird gerade durch die Band und diese "Selbsttherapie", wie es
im Info steht, Schlimmeres verhindert? Und wieso dieser eigenartige Mix aus
Deutsch und Englisch und nicht einfach eins von beidem?
o.: "M´s (bzw. Dolp´s) vorgetragen Lyrics beschäftigen
sich mit der Chronologie des Niedergangs unserer Gesellschaft. Die Texte sind
teils Reflexionen zu persönlichen Erlebnissen, teils Kollagen aus Interviews
/ Zitaten / Essays. M. meint er hat keine Botschaft. Einige Menschen, die sich
die Mühe machen die Texte zu lesen (und das ist auch die Intention warum
wir das in deutscher Sprache abdrucken) finden das sick, andere wiederum sind
entzückt und finden das sehr existenzialistisch, wiederum andere finden
die Texte einfach nur lustig. Herr Dolp ist eigentlich ein sehr umgänglicher,
netter Mensch, der in dieser Form "Psychohygiene" betreibt. Würde
er nicht bei Bug schreien können, dann würde er Kampfsport machen,
hat er mal gesagt. Der Mix aus Englisch und Deutsch ergibt sich daraus, dass
verschieden Passagen in unterschiedlichen Sprachen anders wirken. Beispielsweise
würde "die ordentliche Beschäftigungspolitik im 3. Reich"
(Zitat von J. Haider) in englischer Sprache kaum funktionieren."
t.: "Nein, niemand muss sich vor Herrn Dolp fürchten. Die Texte sind
für mich eine gesunde Mixtour aus Ernst und Ironie."
Wenn man Bug hört könnte
man sich auch durchaus fragen, ob dieses Leben überhaupt noch lebenswert
ist, so wie es ist bzw. wie es in den Bug-Lyrics durchaus anschaulich und nachvollziehbar
präsentiert wird? Ich frage das, weil ich wissen will, ob die Leute, die
das hören/lesen, das einfach als von Bug so gegeben hinnehmen sollen (quasi
als "private" Ansichten der Band), oder ist es so, dass ihr damit
bestimmte Reaktionen direkt provozieren wollt und deshalb alles derart überspitzt
und gewissermaßen "anstößig" formuliert ist?
t.: "Es sind schon eher private Ansichten (insbesondere von Herrn Dolp).
Mir sind die Texte eigentlich nie anstößig oder überspitzt erschienen.
Das scheint vor allem auf Außenstehende so zu wirken, wie mir in den Gesprächen
und Interviews in der letzten Zeit auffällt."
o.: "Zugegebenermaßen geht es im Gesamtkontext eher um die Schattenseiten
der menschlichen Existenz - dies aber immer in Verbindung mit Selbstironie und
einer gehörigen Portion Sarkasmus - Ich würde uns nicht als düstere
Nihilisten sehen. Die Reaktionen auf unseren Output sind meist sehr gespalten.
Tatsächlich ist vielen Menschen unser Ding zu anstrengend, sperrig, vielleicht
auch kaputt. Das ist für uns mittlerweile o.k. Bezugnehmend auf die Texte
muss ich sagen die ‚Killdozer-Texte' find ich viel anstößiger."
Wenn ihr kurz erklären
müsstet, wie sich euer Sound von den Anfängen bis jetzt entwickelt
hat, wie würde das aussehen? Vielleicht einfach anhand der Platten und
Splits?
t.: "Die erste Veröffentlichung auf Jurassic Punk Rec. (Vorgängerlabel
von Interstellarrecords) war die Split-CD mit Turnout. Das war schwer verdaulicher,
nicht so toll produzierter, ziemlich statischer Noiserock. Turnout (Instrumetal-Duo)
waren unsere damaliger Gitarrist und ein ziemlich heftiger Drummer. Es folgte
‚AGAPE - ein Epos' aus 17 teilweise recht unterschiedlichen Stücken
- wird von einigen Menschen nach wie vor als unser bestes Release bewertet.
Dann kam die Split mit unseren lieben Sensual Love - "Split Collaboration
For Split Personalities". Da waren wir vielleicht ein bisschen "metalllastiger"
- weniger "noisy" (es spielte noch ein begnadeter Metall-Gitarrist
bei uns). Nach dem unser Gitarrist auswanderte, stieg p. ein, der eigentlich
aus einem ganz anderen musikalischen Eck kommt - aber für unser Ding sehr
offen war. Das Resultat hört mensch auf "Klotho", mit dem wir
eigentlich sehr zufrieden sind. Ohne die Unterstützung von lieben Menschen
aus unserem Umfeld (Aufnahme, Mix, Cover-Art, Label) hätten wir nie die
Möglichkeit gehabt 4 Releases zu machen."
Was war Out Of Order für
eine Band, der Vorläufer von Bug?
o.: "O.O.O. war nach ‚Billa' (kaputte Lärmband - keiner konnte
irgendwas auf seinem Instrument - benannt nach einer Lebensmittelkette wie ALDI)
anfangs Hardcore - bis wir dann Neurosis hörten - und das hörten wir
dann wahrscheinlich zu oft. Irgendwann ist unser 1. Gitarrist Pilot geworden
und wir mussten etwas anders machen - BUG."
Auf "Klotho" sind
mit "Tribute to bad blood" & "Ruin 2" auch zwei sehr
interessante elektronische Experimente auf der Platte. Wie kam es dazu? Bringt
ihr das auch live? Hört ihr auch sonst elektronische Sachen, oder vorwiegend
Gitarrenkram (so wie ich....)? Und was denn so zum Beispiel?
o.: "Tribute to bad blood" ist ein Beitrag von Mr. Zeropot und Herrn
Dolp - die machen ab und zu live-performances - Zeropot an den turntables +
Herr Dolp schreit Bug-Texte dazu. Msjr8k ist Herr Jackson (calamari:autopsy
- Noise-Duo aus Linz - interstellarrec. Umfeld) und hat auf seine Art das Stück
"ruin" remixt. Live bringen wir eigentlich nur unsere eigenen Sachen
- die Kombination mit Samples haben wir früher gemacht. Elektronische Sachen
find ich sehr interessant - meine favourites - Tim Hecker "ratio amor",
Boards of Canada, Scorn - absoluter Wahnsinn ist das neue Projekt von den Technoanimal/Godflesh
- Menschen: Curse Of The Golden Vampire. Hör aber nach wie vor auch den
ganzen Gitarrenkram."
t.: "Converge, Killdozer, Botch, Deadguy, ISIS,...."
Spielen Bug viel live? Seid
ihr schon außerhalb Österreichs getourt? Wann kann man womöglich
demnächst damit rechnen und worauf sollte man sich einstellen? Ich hab
nur auf eurer Website anhand der Live-Photos gesehen, dass ihr wohl manchmal
schick mit Anzug & Krawatte auf die Bühne steigt, was ich mir in Verbindung
mit der Bug-Musik ziemlich amüsant vorstelle? Gibt's sonst vielleicht noch
irgendwelche Spezialeffekte o.ä.?
o.: "Wir haben im Frühling für unsere Verhältnisse recht
viel gespielt (ca. 8 Gigs), unter anderem hatten wir 4 Gigs in Kroatien mit
Sensual Love (auch auf Interstellarrec.). Außerhalb von Ö. kennt
uns fast niemand - die Kontakte um eine Tour zu checken haben wir nicht bzw.
ist es nicht immer einfach, da wir ja doch working class heros sind, und deshalb
nicht so flexibel sein können. Wir sehen unsere Gigs als lustige Betriebsausflüge,
und ab und zu kleiden wir uns auch entsprechend - was zu Irritationen führen
kann. Der einzige "Spezialeffekt", den wir bzw. Herr Dolp einmal hatte
war eine Mundharmonika, die er glücklicherweise verloren hat."
Was liegt als nächstes
an für Bug? Und in welche Richtung gedenken Bug ihren Sound denn in Zukunft
zu entwickeln? Oder lässt sich dazu nicht wirklich was sagen, weil ihr
es einfach kommen lasst so wie es sich von selbst ergibt, oder so...??
o.: "Wir werden weiter an unseren Ideen basteln - ohne uns den Zwang aufzuerlegen
etwas kategorisch zu verändern. Die Proben sind uns wichtig - das ist immer
noch eine gute Möglichkeit sich kurzfristig auszuklinken. Wir würden
sehr gerne eine kleine Tour Anfang des nächsten Jahres machen - vielleicht
ergibt sich da was."
Zum Abschluss vielleicht
noch irgendwas Lustiges/Abschreckendes/ Amüsantes, was euch mit der Band
schon passiert ist? Oder sonst irgendwas, das man unbedingt wissen sollte, wenn
man sich für Bug interessiert?
t.: "Lustiges? Herr Dolp ist im "normalen" Leben Diplomingenieur.
Der Bassist denkt, Gott spricht durch den Fernseher zu ihm - und weiters kann
er in seiner eigenen Scheiße die Zukunft lesen. Der Gitarist ist ein Wiedergeburt
von Luis Trenker. Der Schlagzeuger ist halb Mensch - halb Fahrrad, was ihn aber
beim Schlagzeugspielen nicht behindert."
2003 BROKEN VIOLENCE Thomas Jänsch